Hüttenleben – meine Kinderjahre

Es war schon etwas ganz besonderes, inmitten einer wunderbaren Natur aufzuwachsen. Geboren wurde ich auf 1676 Meter Seehöhe auf der Lochalm in Viehhofen im Pinzgau. Da meine Eltern den Beruf der Hüttenwirte ausübten verbrachte ich die gesamte Kindheit und Jugend hoch oben auf Schutzhütten. 

Beginnen möchte ich die Geschichte meiner Kindheit und Jugend am Berg mit der Hochzeit meiner Eltern, da meine Mutter da schon mit mir schwanger war.

Die Hochzeit wurde auf der Theodor Körnerhütte am Fusse der Bischofsmütze im Herbst 1948 gefeiert.

An einem herrlichen Herbsttag wurden die letzten Vorbereitungen getroffen. Bergkameraden meiner Mutter sind noch zuhöchst in die Wände gestiegen, dort wo noch Schatten drinnen war und haben Almrausch und Edelweiß heruntergebracht. Eine befreundete Gärtnerin hat aus Edelweiß ein herrliches Diadem gefertigt, der Brautstrauß war aus Almrausch und Enzian.

Draussen vor der Körnerhütte wurde ein Podium als Tanzfläche aufgebaut, alles wurde mit Latschengirlanden geschmückt. Man richtete sich darauf ein, dass die Hochzeit im freien stattfinden würde.

Beim nahegelegenen Jägerhüttl war alles für die Eheschließung hergerichtet. Als es dann plötzlich zu regnen begann, hoffte man zuerst, dass es nur ein kleiner Gewitterregen sein würde. Aber dem war nicht so, es regnete sich ein.

Nun wurde der Altar in aller Eile in der Hütte neu hergerichtet.Dort konnte dann auch die Messe gefeiert werden, während es draussen stürmisch regnete. Mein Vater als Bräutigam war auch gleichzeitig der Ministrant, was sich selten vorkommt.

Das Hochzeitsfest verlief natürlich ganz anders als geplant. Ungefähr 150 Hochzeitsgäste waren auf der Hütte oben. Für diese musste das Mahl auf einem kleinen Öferl gekocht werden. Was man dazu bruchte war schon schwierig genug herauf gebracht werden.Der Weg zur Hütte war damals noch ein schmaler, steiler, steiniger Weg. Üblicherweise wurde alles hinauf getragen, aber zur Hochzeit hat der Krämer vieles mit einem Fuhrwerk hinauf gebracht.

Trotz vieler Schwierigkeitenwurde der Hunger aller Gäste gestillt. Platz war natürlich wenig, aber es ging. Die Matratzen hatte man aus der Hütte in einem Nebenraum gelagert, dafür hatten Tische und Bänke Platz gefunden. Es war trotz der vielen Schwierigkeiten eine schöne Feier. Natürlich gab es für das Brautpaar auch Geschenke.Da viele der Gäste Bauern waren, brachte der einen einen Sack Zwiebeln, ein anderer ein Stück Sau, und wieder andere brachten Gemüse …

Auch die Hochzeitsnacht verlief etwas ungewöhnlich. Meine Tante, die Schwester meiner Mutter, wurde krank und musste im Ehebett meiner jungvermählten Eltern übernachten.

Hochzeit meiner Eltern auf der Theodor Körnerhütte
(ich war schon unterwegs)

Dieses Foto entstand auf der Lochalm, wo mein Bruder und ich geboren sind, am Foto auch noch Reini mein Cousin, der auf uns öfter aufpassen musste.

Es war nicht immer leicht. Vor allem mein Vater der als Träger mit einer Holzkraxe, die meist bis oben hin voll geschichtet war, die ganzen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände auf den Berg schleppen musste, hatte ein extrem schweres Leben!

Meine Mutter erzählte mir von der Übersiedlung von Hütte zu Hütte – und wie sie meine Geburt und mein Leben bis zu meiner Jugendzeit (im Schnelldurchlauf) erlebt hat, folgendes:

„Mit Sack und Pack sind wir von der Theodor-Körner-Hütte in Annaberg wo du gezeugt wurdest, auf die Lochalm im Glemmtal übersiedelt, was sehr schwierig und anstrengend war. Mit vielen Fuhren brachten wir in Viehhofen unsere Habseligkeiten auf die Mittelstation, wobei wir mit der letzten Fuhre bald verunglückt wären.  Ein Rad sprang aus dem Seil der Materialseilbahn und nur mit äußerster Mühe gelang es deinem Vater, die eine Rolle bei jeder Stütze hineinzudrücken.  Ich hatte Todesangst. Ich war damals ja schon schwanger und meine große Sorge galt auch dir, meinem ungeborenen Kind. Gott sei Dank ging alles gut und das war für Dich unbewusst wohl der erste Kontakt mit deiner neuen Heimat. Als mit der Seilbahn das ganze Übersiedlungsgut oben war, begann erst die große Schlepperei, denn bis zur Hütte war es noch eineinhalb Stunden zu gehen. 

Die Hütte war urig und schön und bald fanden sich auch Gäste ein. Durch die viele Arbeit ging die Zeit rasend schnell vorbei.

Ostern kam und da du dich schon zu melden begonnen hast, wurde ein Arzt geholt, der mit Spritzen versuchte dich in die Welt zu holen. Die anwesenden Gäste versorgten mich durch die Wärmeluke mit einigen Gläsern Wein – aber du wolltest einfach noch nicht. Erst einige Tage später wurde es wirklich ernst. Um Mitternacht begannen mich wieder große Schmerzen zu plagen. Da ich aber Angst hatte, wieder umsonst Hilfe zu holen, getraute ich mich nichts zu sagen. Dein Vater merkte es  aber dann, weckte Resi (Mutters jüngere Schwester) und diese stieg bei schlechtem Wetter in stockdunkler Nacht den Berg hinunter. Unten angekommen musste sie noch 9 km. mit einem alten Waffenrad, auf schlechter Strasse, ohne Licht, 9 km. nach Maishofen fahren um die Hebamme zu holen. Um sechs Uhr früh waren sie dann bei mir auf der Hütte und schon um 7:30 Uhr hast Du das Licht der Welt erblickt. Für mich war das der schönste Augenblick. Es war alles gut gegangen, du warst gesund und ich hatte mir ein  Mädchen gewünscht. Später kam auch noch der Arzt, aber  alles war bereits in bester Ordnung. 

Unser Leben war damals mit großen Sorgen überschattet. Gleich nach deiner Geburt musste dein Vater für ein halbes Jahr von uns fort und Resi und ich hatten alles alleine zu bewältigen. Nach einigen Wochen besuchte ich ihn. Das war sehr hart für mich. Meine Brust schmerzte, denn ich hatte viel Milch und dich nicht dabei. Zu allem Unglück fiel mich am Weg ein Schäferhund an und zerriss mir mein neues Kleid. So besuchte ich völlig verzweifelt und voller Schmerzen deinen Vater in Salzburg. Schon um Mitternacht war ich wieder total fertig auf der Hütte. Sofort begann ich die Milch abzupumpen, denn du solltest ja keine abgestandene Milch trinken. 

Nach 9 Monaten, als dein Vater wieder zu Hause war, wurdest du auf der Hütte getauft. Das war eine Gaudi. Du wolltest dem Pfarrer alles aus der Hand reißen und warst so lustig, dass alle Anwesenden ihren Spass hatten!

Ich sehe dich auch noch vor mir, wie du an einem kalten Tag in einem grauen Manterl beim Papa draußen warst. Auf einmal warst du verschwunden. Wir suchten und fanden Dich im eiskalten Wasserschaffel sitzend – quitschvergnügt. 

Nach vier Jahren auf der Lochalm mussten wir wieder übersiedeln und zwar nach Lungötz, da ich nie wieder auf eine Hütte wollte. Inzwischen hattest du auch einen Bruder bekommen. Mit dem Schlitten ging’s in mehreren Fuhren steil bergab nach Viehhofen. Bereits bei der dritten Fuhre brach sich dein Vater den Fuß und musste für eine Woche ins Krankenhaus. Nun musste ich alleine die Übersiedlung schaffen bzw. mir einem Helfer organisieren. Zu guter Letzt nahm ich die Habseligkeiten mittels einer hölzernen Kraxe auf den Rücken, schaffte es aber nur noch bis zum letzten Bauernhof und brach dort zusammen. Ihr Kinder wart in der Zwischenzeit – Gott sei Dank – bei den Großeltern in Annaberg. Vom letzten Bauern fuhr ich dann mit der Seilbahn hinunter wo Vater – mit einem Gipsbein  – auf mich wartete. Auch unser kleiner Spitz begrüßte ihn stürmisch und lief voll Freude mit Vater ins Dorf wobei ihn ein Auto streifte und er sofort tot war. Ein trauriger Abgang!

In Lungötz waren wir dann alle wieder vereint, jedoch lag unser Haus an einer staubigen Straße und so waren wir nach sechs Wochen wohnen im Tal, wieder reif für die Berge.

Für das Heinrich Kiener Haus am Hochgründeck auf 1800 Meter Seehöhe wurde ein Hüttenwirt gesucht. Bei strömenden Regen, dein Vater immer noch mit Gipsbein, besichtigten wir unsere neue Heimat auf der wir vier Sommer und drei Winter verbrachten. Würde ich von dieser Zeit erzählen – es wäre eine unendliche Geschichte, mit vielen Erlebnissen und Abenteuern die teilweise lebensbedrohlich waren. So schlug einmal der Kugelblitz ins Haus ein, ich stand gerade bei der Abwasch, hatte aber glücklicherweise die Hände aus dem Wasser genommen, weil ich mich umdrehte und mit Vater sprach, der gerade von der Gaststube in die Küche kam. Der Blitz kam durch die Hausecke über die Abwasch an der ich gerade stand, streifte mich und ich fiel bewustlos zu Boden. Während Vater sich um mich kümmerte, sauste der Kugelblitz durchs Haus, an der anderen Ecke wieder raus und explodierte im Tage zuvor neu fertig gestelltem Wasserspeicher in der Nähe der Hütte. Von diesem war nun nichts mehr da, klein wie Streichhölzer waren die verbliebenen Reste.“

Meine Mutter litt unter dieser Situation und die langen Winter ohne Kontakt zur Außenwelt waren oft schwer erträglich für sie. Monatelang, weit weg von der so genannten Zivilisation, dazu zwei kleine Kinder, so zu leben war eine große Herausforderung für sie! Der Fußweg ins Tal hätte ca. drei Stunden gedauert und war im Winter monatelang durch Meter hohen Schnee gar nicht oder nur schwer zu bewältigen. Da gab’s schon mal einen Höhenkoller …

Für uns Kinder war es aber ein Paradies. Im Sommer war der Wald unser Spielplatz. Wir bauten uns Bauernhöfe zwischen den Wurzeln der Bäume. Tannen und Fichtenzapfen waren unsere Kühe, Schafe und Schweine! Ich weiß noch, dass ich mich nie alleine fühlte und immer Zwerge, Gnome und andere Gestalten da waren die wie selbstverständlich an unserem Leben teilhatten. Ich lebte in einer Anderswelt! Aber für mich war es Realität – ich kannte es nicht anders! 

Als ich sechs Jahre alt wurde und der Schulweg von drei Stunden (schnell und ohne Pause gerechnet) nicht zumutbar gewesen wäre, musste ich von den Eltern weg ins Tal nach Annaberg, zu den Großeltern. Aber hier lasse ich noch einmal meine Mutter erzählen:

„Du bist mit Vater im strömenden Regen und Hochwasser, den steilen Weg nach Bischofshofen gegangen um von dort mit Zug und Postauto zu den Großeltern zu kommen. Mir tat das Herz weh. Dein erstes Schuljahr hast du in Annaberg begonnen -und wir begannen von Neuem mit einer Übersiedlung, diesmal auf die tiefer gelegene Hahnbaumalm. Da waren  die Strapazen nicht ganz so groß, wir hatten ja unseren Muli “Fritzi“. Wie es sich für ein Maultier wohl gehört, war er zwar sehr störrisch und wenn er nicht mehr wollte blieb er einfach stehen und war durch nichts zu bewegen weiter zu gehen, aber brav trug er diesmal unsere Habe zur nächsten Hütte!“ 

Glückliche Zeit am Hochgründeck, mein Bruder Franz(i) und ich, meine Eltern und Stammgäste
Hochgründeck

Ich aber war bei meinen Großeltern. Es war wunderbar. Ich hatte einen Großvater mit kaiserlichem Schnurrbart. Dieser wurde immer gezwirbelt, damit beide Enden schön nach oben zeigten! Opa war was seinen Bart betraf ziemlich eitel. Er war kein großer Mann, aber er hatte Charisma. Wir Kinder – meine Großeltern hatten spät noch eine Tochter bekommen die nur zwei Jahre älter ist als ich, kämpften regelrecht um die Gunst unseres Großvaters – obwohl er uns sicher alle sehr gerne hatte. Abends kuschelten wir uns an ihn und ließen uns Märchen erzählen. Er war sehr erfinderisch, hatte eine wunderbare Fantasie und ließ uns gerne daran teilhaben. Manchmal schlief er auch während des Erzählens ein und nachdem wir ihn zum Weitererzählen wieder weckten,  wurde eine ganz andere Geschichte daraus, weil er im Schlaf den Faden verloren hatte! Aber das war nicht schlimm. So wurde eben aus einer traurigen Geschichte eine Lustige – oder umgekehrt!

Mein Großvater war auch ein im Wirtshaus gern gesehener Gast, weil er viele Lieder kannte und gerne sang! Dafür zahlte man ihm dann ein oder mehrere Bier und meine Großmutter musste ihn dann vom Gasthaus abholen, wofür sie sich immer sehr schämte. Uns Kindern machte es allerdings großen Spaß ihn holen zu dürfen. Da bekamen wir dann ein Kracherl (Limonade) spendiert, damit Opa noch ein wenig sitzen bleiben konnte. Für uns etwas Wunderbares. Die Dorfwirtshäuser sind mir sehr gut in Erinnerung geblieben. Da gab es meist einen großen Stammtisch in der Küche. Es roch oft gut nach Braten und anderen Köstlichkeiten die es bei den Großeltern mit der sehr kleinen Rente selten gab. Es wurde gesungen, Geschichten wurden erzählt, man erfuhr alles was sich im Dorf so ereignete, vieles davon war eigentlich für unsere Kinderohren nicht bestimmt – aber für uns um so interessanter und das was wir hörten beflügelte unsere Fantasie.

Meine Großmutter war eine gütige liebe Frau. Sie war mindestens einen Kopf größer als ihr Mann, hatte ihre Zöpfe immer zur Gretlfrisur aufgesteckt, war ihr Leben lang nie bei einem Friseur und ich kann mich noch an das gelegentliche Haare waschen erinnern! In der Küche war ein vom Großvater gemauerter Herd mit einem Wasserschiff. Am Bade- und Haarwaschtag wurde der Herd ordentlich geheizt! Große Töpfe mit Wasser wurden zusätzlich aufgestellt und heiß gemacht. Das Feuer prasselte und die Küche war vom Wasserdampf dicht eingenebelt.  Ein Blechschaff kam in die Küche, mit Eimern wurde Wasser vom Erdgeschoß in den ersten Stock geschleppt, mit dem heißen Wasser vom Herd ins Blechschaff geschüttet und der Familienbadetag mit Haare waschen konnte beginnen! Oma hatte zusätzlich zu ihrem natürlichen Haar auch noch einen falschen Zopf  den sie in das natürliche Haar mit ein flocht! Ich habe den Zopf immer sehr bewundert. Woran ich mich auch noch gut erinnern kann, war gleich bei der Tür ein Behälter wo die Kämme drinnen waren und obwohl ich mich nicht erinnere, dass jemand von uns einmal Läuse hatte, der Lauskamm war da.

rechts: Oma mit ihrer feschen Gretlfrisur

Oma kochte wunderbar. Aus den nur wenig zur Verfügung stehenden Lebensmitteln, zauberte sie immer gutes und geschmackvolles Essen. Abends allerdings gab es meistens nur irgendeinen Brei – der war billig und machte satt! Ich mochte am liebsten Milchreis. Es gab aber auch Mehlbrei, Grießkoch, oder einen Schmarrn! 

In der Küchenkredenz war eine Lade wo das Brot aufbewahrt wurde. Es waren immer gute Weckerl drinnen und am liebsten mochte ich die mit Weinbeerln (Rosinen),  duftendes Brot war  da und gab es mittags nur Suppe, machte uns ein Ranken Brot oder anderes Gebäck sicher satt. Auch den Geruch einer anderen Lade der Kredenz habe ich heute noch in der Nase. Oma hatte es mit dem Herzen und auch ihre Nerven waren wohl etwas angegriffen und so stand im Küchenkastl immer Medizin und es roch vorwiegend nach Baldrian. 

Am Herd stand meist ein Reindl mit Polenta, der für Opas Kaninchen gekocht wurde. Die Kaninchen waren sein ganzer Stolz und hinterm Haus war der selbstgebaute Hasenstall. Für die Kaninchen hieß es jeden Tag an den Wegrändern Futter zu suchen. Das war die Aufgabe von uns Kindern. Eine andere Aufgabe war es zum Bauern Milch holen gehen. Je nachdem bei welchem Bauern die Milch geholt werden musste, war es ein Weg erst durch’s Dorf und danach auf den Berg, oder gleich hinterm Haus steil ansteigend und dann über eine Wiese. Ich mochte das Milch holen nicht sehr gerne, weil es im Vorraum wo die Milchkannen standen, immer sehr dunkel war und ich mich fürchtete. Gefürchtet habe ich mich oft auch vorm großen Hund beim Bauern der einem mit lautem Gebell empfing. 

Neben dem Hasenstall stand die Holzhütte wo Opa das Holz welches er zuerst vom Bergwald runter schleppte, oder bei Hochwasser aus der Lammer fischte, was sehr gefährlich war, zu Brennholz sägte. Es roch modrig nach Urwald und Pilzen und wenn ich heute an einer alten Holzhütte vorbei komme muss ich tief einatmen und der Geruch versetzt mich zurück in meine Kindheitstage und ich spüre und sehe meinen längst schon verstorbenen Großvater vor mir. Noch ein Geruch den ich seit meiner Kindheit ganz intensiv rieche, ist, wenn ich durch Sumpf oder Augebiet wandere, die Rossminze. 

Eines unserer herrlichsten Vergnügen war es, im am Haus vorbei fließenden Bach zu baden. Damals gab es dort noch eine wild verwunschene Au, wo eben auch die Minze wuchs und in meiner Fantasie Feen und Zwerge hausten.  Verschlungene Wege führten zum Bach wo wir uns Staudämme bauten, schwimmen lernten oder Steine sammelten, die wir dann an der Straße zu verkaufen  versuchten .  Ob wir gute Umsätze machten, weiß ich heute nicht mehr. Auch als Straßenmusikanten machten wir damals gerne auf uns aufmerksam. Einige Nachbarkinder  beteiligten sich und wir holten uns aus der Küche Töpfe, Deckel, Kochlöffel und was uns sonst noch Interessantes unter kam, bastelten uns zusätzlich noch einige Instrumente aus Karton und Schnüren, auch eine Waschrumpel hatten wir dabei aber am beliebtesten war wohl das Kammblasen, da es am ehesten mit Musik in Verbindung zu bringen war.  So zogen wir als bunter Zug durch die Straßen und hatten viel Spaß dabei – sicher wesentlich mehr als die armen Erwachsenen die sich das Konzert anhören mussten. Vor einigen Jahren, als mich eine Redakteurin bei einem von mir veranstalteten Konzert danach fragte wie mein Bezug zur Musik entstanden sei, dachte ich spontan an unseren Spielmannszug in meiner Kindheit…

Ein halbes Jahr durfte ich bei meinen Großeltern verbringen und dort begann auch meine Laufbahn als Schülerin. Dieses halbe Jahr war auch, was die Schule betraf, mein liebstes und bestes. Der Schulweg dauerte nur fünf Minuten und meine Lehrerin hatte ich sehr gern. Sie wohnte im Nebenhaus zur Untermiete und so durfte ich den Schulweg auch oft mit ihr gehen. Meine Noten waren gut und ich war lernbegierig. Leider war es wohl die einzige gute und glückliche Zeit die ich mit Schule gehen verbinde. 

Nach einigen Monaten hatten meine Eltern eine Hütte zum Pachten gefunden, die nicht mehr ganz so hoch oben und leichter erreichbar war. Ich musste nach Hause. Und noch einmal lasse ich meine Mutter erzählen:

Auf der Hahnbaumalm ging die Schufterei wieder von vorne los, aber wenigstens war die ganze Familie beisammen. Nun seid ihr ja schon zu zweit in die Schule gegangen – zwei kleine Spatzen, und so ein weiter Weg. Oft lief ich euch entgegen wenn das Wetter schlecht, oder es ab November bald dunkel wurde. Im Winter bei Schneesturm war der Schulweg besonders gefährlich und oft nicht zu finden. Dass ihr immer nach Hause gefunden habt ist ein Wunder oder ihr hattet einen guten Schutzengel!“

Der Schulleiter von Annaberg brachte mich höchstpersönlich mit seinem Privatauto in meinen Heimatort und von dort zu Fuß eineinhalb Stunden in mein neues zu Hause. Das also war ab jetzt auch mein Schulweg! Ich war entsetzt, schrie was das Zeug hielt, ich wollte nichts anderes als zurück in die Geborgenheit meiner Großeltern und zu meiner Lehrerin! Es half nichts, ich musste bleiben. Von da an war ich ein so unglückliches Kind, dass ich mich kaum an etwas zurückerinnern kann. Meine Noten wurden schlecht, ich hasste die Schule, die Lehrer, den Schulweg, meine Schulkolleginnen und Kollegen und vermutlich auch meine armen Eltern die es so schon schwer hatten und mit mir noch etwas schwerer. 

Mein Vater war sehr streng und ich habe ihn zeitlebens gefürchtet. Habe es ihm aber so gut es ging nicht gezeigt, was ihn gelegentlich noch mehr auf die Palme brachte und ich öfter als notwendig eine Ohrfeige  fing. Manchmal bekam ich auch mit dem Kochlöffel Schläge. Meinen Bruder, der wenn’s kritisch wurde davonlief, hat der Kochlöffel viel weniger oft getroffen.  Schlimmer als schlagen war aber die Stimme meines Vaters. Ich glaube, manchmal hörte man ihn bis ins Dorf schreien.  Heute weiß ich, dass er durch den Krieg und die schwere Arbeit, aber auch die Sorge darum, wie er seine Familie durchbringen soll, das Leben einfach nur packte in dem er seine Wut und sein eigenes Leid hinaus schrie.  Zudem hatte auch er eine schwere Kindheit und eine Mutter die in meinen Augen eine herzlose und überstrenge Frau war.

 Manchmal mussten mein Bruder und ich in den Ferien zu ihr. Es war schrecklich. Sie wohnte in der Stadt und hatte dort mit ihrem Mann ein Haus mit großem Obstgarten. Ihr Mann – also unser Großvater war fast blind, sehr still und geduldig. Ich kann mich nicht erinnern überhaupt jemals ein Wort von ihm gehört zu haben. In meiner Erinnerung sitzt er immer nur still da. Im Haus gab es im Untergeschoß zahlreiche  Zimmerherrn im ersten Stock wohnten die Großeltern. Es gab eine große betonierte Terrasse, ein oder zwei Zimmer in denen eine Tante und ihr Mann, ein Postler, wohnten, eine Wohnküche, das Schlafzimmer der Großeltern und ein Gästezimmer, in dem wir Kinder schliefen wenn wir zu Besuch kamen. Mich ekelte in diesem Schlafraum besonders von den vielen Ohrwürmern die überall im Zimmer und gelegentlich auch im Bett zu finden waren. Nachts traute ich mich kaum einschlafen, da ich die Sorge hatte, die Ohrwürmer würden dann wirklich in den feuchten warmen Gänge der Ohren verschwinden. Kein schöner Gedanke zum Einschlafen!

 In einem der Zimmer war ein Hausaltar und pünktlich um 15 Uhr mussten wir alle davor knien und den Rosenkranz beten. Um sieben Uhr Früh wurden wir Kinder zur Frühmesse in die Kirche geschickt, was in mir jedes Mal Panik auslöste, weil ich über eine Kreuzung mit viel Verkehr musste und ich furchtbare Angst davor hatte zusammengefahren zu werden. Aber es gab kein Pardon – Kirche musste sein. 

Besonders geschämt habe ich mich immer über meine Kleidung. Was wir zum Anziehen hatten, waren getragene Sachen die wir geschenkt bekamen. Ging mir ein Kleid bis zum Knie, musste es länger gemacht werden weil es sonst unanständig ist. Kein Kind in der Stadt hatte so lange Kitteln an wie ich. Dazu meist Bergschuhe weil wir nichts anderes besaßen. Die Art der Bekleidung hat mich aber nicht nur bei Großmutter in der Stadt gestört, auch zu Hause beim Schule gehen, weil alle Kinder im Markt ganz anders und eben viel moderner angezogen waren. Man wurde automatisch zum Außenseiter! 

Aber wieder zurück zu den Großeltern Väterlicherseits. Am Sonntag gab es jedes Mal eine zuckersüße Torte, ich habe den Geschmack jetzt noch im Mund und er ist unangenehm! Großmutter hatte einen riesigen Umfang und ich stellte mir immer vor, wie eine klebrige Tortenmasse ihren Bauch füllt. Waren wir aber mal schlimm, konnte sie trotz ihres Gewichts ganz schön schnell laufen. Zumindest ihre Beine, obwohl dick und unförmig, waren eben doch erheblich länger als unsere Kinderfüße. Und wohl auch die Wut und der Ärger gaben ihr Antrieb, sodass sie uns, mit dem Bartwisch in der Hand wild fuchtelnd, immer einholte wenn wir davonliefen und uns den Hintern versohlte sobald sie uns erwischte!

Wir hatten furchtbar Heimweh und konnten auch nicht verstehen warum wir nicht zu den lieben Großeltern, den Eltern meiner Mutter, von denen ich ja schon erzählte, durften. Heute weiß ich, dass diese so arm waren, dass ihnen meine Eltern nicht zumuteten noch zwei Mäuler satt zu kriegen. Uns Kindern haben sie diese Ärmlichkeit nie spüren lassen und was sie uns an Materiellen nicht geben konnten, haben sie tausendfach mit Liebe und Herzensgüte ausgeglichen.

Die Schulferien zu Hause waren auch nicht fein. Während unsere Schulkollegen ins Freibad gingen oder gar mit ihren Eltern auf Urlaub fahren durften, mussten mein Bruder und ich fleißig zu Hause mitarbeiten. Geschadet hat es uns freilich nicht – aber als Kind würde man halt lieber spielen. 

Ich entwickelte mich zu einem ziemlich störrischen und aufmüpfigen aber eben auch total unglücklichen Kind. 

Einmal, als ich wieder einmal eine schlechte Note von der Schule nach Hause brachte und meine Eltern eine Unterschrift drunter setzen sollten, war meine Angst so groß, dass ich mir das Leben nehmen wollte. Ich war damals sieben oder acht Jahre alt und es war Frühling. In der Schule hatten wir gelernt, dass Krokusse giftig seien. Ich pflückte mir eine Hand voll, aß sie, legte mich ins Bett und wartete auf den Tod. Heute weiß ich, dass es, die dem Krokus ähnlich schauende Herbstzeitlose ist, die stark giftig ist – ich lebe ja noch und weiß heute nicht einmal mehr, ob das Essen der Krokusse überhaupt etwas bewirkt hat.

Einige Male bin ich auch von zu Hause abgehauen. Ich ging in die Wälder wo ich mich wohl fühlte und keine Angst hatte. Als ich aber merkte (so glaubte ich es damals zumindest) dass mich eh niemand sucht und der Hunger unerträglich wurde, schlich ich mich schuldbewusst wieder heim. Dort erwartete mich dann erneut ein Donnerwetter – weil ja auch meine Eltern vermutlich Angst um mich hatten.

Als ich14 Jahre alt war, wurde ich in den Herbstmonaten nach Wien zu Gästen geschickt. Sie hatten eine Luftballonerzeugung in einem Keller im 21. Bezirk und dort sollte ich arbeiten. Schreckliches Heimweh packte mich in der Großstadt. Ich vermisste die Berge, die Wälder, den freien Blick! Ich hatte eine sitzende Betätigung und das tat weh! Die Luftballons wurden aufgeblasen, mit Klammer versehen, ein Stempel wurde aufgedruckt, Werbung, Gesicht oder Ähnliches und danach musste ich die Klammer wieder entfernen und mit unanständigem Geräusch entwich die Luft. Täglich fuhren wir mit der Trambahn von der Brünnerstrasse wo ich bei meinen Arbeitgebern wohnte, nach Wien hinein. Für mich war die Stadt so was von fremd, dass ich am liebsten geflüchtet wäre. Dazu war ich dann aber doch zu feige. Einen Lichtblick gab es aber auch dort für mich. Stammgäste von der Alm hatten an der Brünnerstrasse ein Beisl. Abends, wenn wir die Stadt wieder verlassen hatten, durfte ich dort hingehen und mithelfen. Ein wenig dazu verdienen konnte ich auch und es machte mir Spaß.

Dennoch war ich froh, als die Weihnachtszeit nahte und ich wieder nach Hause auf die Alm durfte. Von meinem ersten selbstverdienten Geld kaufte ich mir eine Feller Skihose auf die ich sehr stolz war. Allerdings zum Skifahren kam ich ohnehin kaum mehr. Zu Hause hieß es arbeiten! Besonders am Abend ging es rund. Wir hatten den Stall zu einer Bar ausgebaut und wenn es die Schneelage erlaubte, kamen viele Rodler vom Tal herauf. Die Stimmung war damals meistens viel besser als heute. Nachdem man erst eineinhalb Stunden den Berg hoch stapfen musste, hatte man Hunger und Durst aber auch viel Spaß! In der Bar stand eine Musikbox mit den neuesten Hits, es wurde getanzt und auch mir wurden dort erste Tanzschritte beigebracht. Allerdings von meiner Mutter! Für mich war die Bar abends tabu, es hätte ja wer weiß was passieren  können. Damals wurde man ja nicht wirklich aufgeklärt – lieber eingesperrt! Männer wollten nur das Eine und das war schlecht, gefährlich und man hätte schwanger werden können. Bis zu meinem 18. Geburtstag hatte ich sozusagen Ausgangssperre! 

Irgendwann – ich war vielleicht 15 – hielt ich es zu Hause nicht mehr aus. Es begann damit, dass mein Bruder und ich abends Gläser wischten. Vater saß mit Gästen am Tisch und meinte wir sollten unsere Arbeit machen und still sein, was uns nicht gelang. Ich weiß nicht mehr was wirklich war. Papa stand wütend auf, holte den größten Kochlöffel aus der Küche und schlug auf mich ein. Mein Bruder rannte wie meistens schnell davon und so bekam ich alle Prügel ab. Ich blieb natürlich auch stur stehen, weil ich mir keiner Schuld bewusst war. Genaues weiß ich jetzt nicht mehr, nur, dass ich irgendwann blutend im Schnee liegend zu mir kam und mich halb erfroren ins Haus schlich. Ich sperrte mich in mein Zimmer ein, schwelgte in Selbstmitleid und holte eine Flasche Rossbacher (Kräuterschnaps) aus dem Schrank, ich hatte sie in Wien geschenkt bekommen – und trank sie halb leer weil mich so fror und ich hoffte der Schnaps würde mich wärmen. Allerdings mir wurde nicht warm, sondern mir wurde furchtbar schlecht. Es war grauslich. Als es mir wieder einigermaßen gut ging – ich glaube das brauchte Tage, packte ich einiges zusammen und verließ meine Familie. Ich fuhr nach Annaberg zu meinen geliebten Großeltern. Von dort aus suchte ich mir Arbeit. Bald schon bekam ich ein Angebot in einem Abtenauer Cafe als Hausmädchen zu beginnen. Ich fühlte mich zum ersten Mal in meiner Jugendzeit als freier Mensch! Aber da täuschte ich mich gründlich. Als meine Eltern erfuhren wo ich war, nahmen sie gleich mit meiner Chefin Kontakt auf und baten sie streng zu sein und ein wachsames Auge in meiner Freizeit auf mich zu haben. Ausgehen war also nicht und die Zimmerstunde verbrachte ich meist “Nomen et Omen“ im Zimmer.

Zu meinem Geburtstag kamen mich meine Eltern dann besuchen. Mama bracht mir eine Gewürzrollade mit, die wunderbar schmeckte. Auch die Frage was sie wohl ohne mich in der kommenden Sommersaison machen sollten wurde gestellt. Das saß und Mitleid kam in mir auf. Außerdem hatte ich Heimweh nach Berg und Hütte. Auch war mir bewusst, dass sich meine Eltern kein Personal leisten konnten und so meine Person wirklich wichtig war. Ich war ja gratis. Von einem Mädchen erwartete man damals sowieso, dass es geheiratet wurde. Dazu war auch keine Schulbildung nötig was meine Eltern schon während der Schulzeit bewog mich nur die erforderlichen 8 Jahre Grundschule machen zu lassen. Mein Traum wäre ein anderer gewesen, nämlich Lehrerin zu werden.

Kurz und gut – ich zog wieder zu Hause ein und spann meine Lebensträume des Nachts im Bett weiter. 

Mein Bruder Franz durfte nach der Schulausbildung Koch lernen. Er bekam eine Lehrstelle in Salzburg im bekannten Peterskeller. Da habe ich ihn schon beneidet. Wenn er zu Besuch nach Hause kam, drückte er sich gerne von der Arbeit. Auch tat er nichts lieber als seine Schwester sekieren. Wir führten meistens Krieg und wenn die Eltern schimpften verstand er es großartig mich als Schuldige darzustellen. 

Von Salzburg erzählte er mir abenteuerliche Geschichten. Zum Beispiel dass seine Kollegen und er öfter aus dem Dachluken Fenster ihres Zimmers geklettert und über die Altstadtdächer spaziert sind. Da wäre ich gerne dabei gewesen!

Einmal, da war ich aber noch jünger wollte ich meinen Bruder eins auswischen. Er durfte mit den Eltern Poschen (junge Bäume ) setzen gehen und ich musste im Haus bleiben und den Abwasch machen. Ich war sauer! Mein Bruder hat zuvor noch einen Guglhupf gemacht und ins Rohr geschoben, ich sollte darauf aufpassen und ihn rechtzeitig aus dem Rohr nehmen. Da ich mich ärgerte immer nur niedrige Arbeiten machen zu dürfen, wollte ich dass er mit seinem Kuchen auch keinen Erfolg hat. Ich öffnete immer wieder die Backrohrtür und schüttete kleine Mengen Wasser auf den Kuchen. Dieser sollte zusammenfallen. Aber es gibt ja das Sprichwort: “Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“! Der Kuchen ging wunderbar auf und wurde hoch und schön und rechtzeitig als er fertig gebacken war,  kam mein Bruder nachschaun und holte ihn aus dem Herd. Wieder einmal heimste er ein großes Lob ein. Lob war in unserer Familie eher selten zu hören und ich kann mich an kein einziges für mich während meiner Kindheit und Jugend erinnern. Sicher war ich daran auch selber schuld, da ich in meiner für mich unglücklichen Situation, ein sehr störrischer Mensch war. Ich machte es meinen Eltern nicht gerade leicht mich gerne zu haben. 

Ich bin auf der Alm aufgewachsen und da ich nur ein Mädchen war, gab es weder eine gscheite Schulbildung noch eine Lehre für mich. Ich bediente die Gäste und das machte mir auch Spass. Im 68er Jahr gab es Österreichweit einen Aufruf den freundlichsten Kellner bzw. die freundlichste Kellnerin von Österreich zu ermitteln. War man nett zu den Gästen, bekam man einen Kupon und wer nach der Sommersaison die meisten davon hatte, hatte gewonnen.

Im 68er Jahr, war es auch, dass meine Eltern zum ersten Mal am Saisonende einen gemeinsamen Urlaub mit uns machten, das heißt, mein kleiner Bruder Klaus durfte oder konnte nicht mit, da er noch zur Schule ging. Er wurde kurzerhand beim Nachbarbauern, ca eine halbe Stunde von unserer Alm entfernt untergebracht. Mama Papa, Bruder Franzi und ich fuhren mit unserem blauen VW Bus nach dem damaligen Jugoslawien an die Rivera von Magaska.

Ein Schiffsausflug auf eine der nächstliegenden Inseln wurde gemacht und nach einem gemütlichen Aufenthalt von einigen wenigen Stunden dort, hat es mein Bruder geschafft sich Hals über Kopf in eine Inselschönheit zu verlieben. Wir schafften es nicht ihn dazu zu bewegen mit uns das Schiff zu besteigen und an Land zurück zu fahren. Kleiner Schock für meine Eltern, aber der weitaus grössere sollte noch folgen. Wieder im Hotel angekommen, wedelte schon der Portier mit einem Zettel in der Hand meinen Vater an die Rezeption. Ein Telegramm von zu Hause, vom Bürgermeister brachte uns die traurige und schockierende Nachricht, dass unsere geliebte Alm vermutlich durch Blitzschlag abgebrannt war. Es war furchtbar! Aber was sollten wir jetzt machen, mein lieber Bruder war ja weil ihn ein Pfeil Amors getroffen hatte, auf der Insel geblieben. 1000 Km von daheim entfernt mit dem Wissen, dass wir kein zu Hause mehr haben, entschied Papa noch eine Nacht im Hotel zu bleiben und das erste Schiff von der Insel abzuwarten, in der Hoffnung mein Bruder ist drauf und das war er dann auch. Ich bin mir nicht sicher ob mein Bruder damals schon einen Führerschein hatte, jedenfalls fuhr er die ganze lange Streckemit dem Bus nach Hause, Papa war fix und fertig.

Aber auch mein Bruder Klaus, der vom Urlaub ja zu Hause bleiben mußte, tat mir sehr leid. Er war an diesem Tag elf Jahre alt geworden und mußte sich in dieser Nacht anschauen wie sein Heimathaus abbrannte, sicher ein schlimmes Erlebnis für ein Kind.

Daheim angekommen, war ausser einer rauchenden Ruine nichts mehr von unserem Heimathaus übrig geblieben. Es war Mitte Oktober, die Nächte waren schon recht kalt und uns blieb als Unterschlupf nur eine betonierte Garage unter der Terrasse. Sofort wurde, obwohl wir völlig unterversichert waren und kein Geld hatten, mit einem Neubau begonnen. Ein Architekt von der Kammer ein Vollkoffer, machte den Plan … und zu Weihnachten war der Rohbau bereits soweit fertig, dass wir zumindestens den Betrieb in der Kellerbar eröffnen konnten. Zu fünft wohnten, schliefen und arbeiteten wir von der Garage aus, auch die Arbeiter wurden darin bekocht. Es war eine arge Zeit und in diese kam die Nachricht, ich wäre freundlichste Kellnerin vom Land Salzburg und Österreichweit zweite! Angesichts der abgebrannten Alm hatte keiner eine Freude damit. Man lud mich mit einer Begleitperson nach Wien ein, wo es im Roten Salon im Wiener Rathaus einen Empfang vom Bürgermeister geben sollte. Meine Eltern wollten mich angesicht unserer Situation nicht fahren lassen. Ich setzte mich aber durch und da ich niemanden zur Begleitung hatte, stellte man mir in Wien angekommen, den Sohn von Maxi Böhm zur Seite. Gewohnt habe ich sehr nobel im ersten Bezirk im Hotel Viktoria. Es war wunderbar und gefiel mir, dass ich überall erkannt wurde. Schau, hörte ich immer wieder flüstern, s’Diandl von da Oim! Der Empfang im Rathaus war für mich sehr aufregend, irgendwie drehte sich durch unser Schicksal mit dem Abbrennen alles um mich, das Fernsehen und einige Reporter waren da … naja ihr könnt euch schon vorstellen, wenn man auf der Alm groß geworden ist ein mords Erlebnis, auch wenn es durch ein für die Familie schlimmes Schicksal war. und auch bei Maxi Böhm war ich eingeladen. Er hatte eine der schönsten Wohnungen Wiens, es war ein toller Nachmittag. Als ich aber diese tolle Wohnung und die Krempen von Christbäumen sah, die in Wien auf den Märkten angeboten wurden, entstand in mir der Wunsch, für Maxi Böhm den schönsten Baum den ich im Wald finden konnte zu klauen. Christbaum stehlen war damals eh was ganz normales aber recht gefährlich, da gerade die Plomben aufkamen und wurde man auf frischer Tat erwischt, drohte eine hohe Geldstrafe. Um den Baum nach Wien zu schicken, mußte ich mir also irgendwie eine Plombe besorgen. Ich fragte den Stoana Bauern einen ganz gefuxten! Er sagte, kannst schon haben, mußt aber für mich auch einen Baum holen, nicht aus meinem Wald versteht sich. Ich war glücklich. Bei Tag wanderte ich durch den steilen Bergwald und bald hatte ich zwei passende Bäume gefunden. Ich hoffte, wenn ich sie in der Nacht holte, auch wieder zu finden. Es war eine wundervolle Mondhelle Nacht als ich unterwegs war die Bäume zu holen. Der Schnee knirschte unter den Füssen und Dank des Mondlichts erkannte ich auch meine beiden Bäume wieder. Es war auch Wehmut dabei als ich sie abschnitt andererseits sah ich den grossen fast drei Meter hohen Baum schon geschmückt in der schöne Wohnung von Maxi Böhm stehen, das tu ich auch heute noch. Mit viel Kraftaufwand schleppte ich die Bäume nach Hause und der grosse Baum ging auf Reise nach Wien. Gerne hätte ich bei seiner Ankunft das Gesicht von Maxi Böhm gesehen. Ich glaube er war sehr überrascht und hat sich gefreut. Wir waren dann noch einige Jahre in Kontakt, ich bekam Briefe und Päckchen und auch besuchen wollte er mich auch einmal, was aber nie passierte. Ich jedenfalls erinnere mich sehr gerne an diese Nacht im Wald, an das Herz klopfen und die Freude, dass alles gut gegangen ist.

Sicher gäbe es noch viel zu erzählen, aber das mache ich vielleicht später einmal…

Aber – Leben heißt Lernen – und heute bin ich der Meinung, dass mich meine Kindheit in den Bergen, mein langer Schulweg und auch meine strengen Eltern und Lehrer nicht beugen konnten, dass ich mich im Laufe der Zeit zu einem starken und glücklichen Menschen entwickelt habe. Man ist für sein Leben selbst verantwortlich und hat es in der Hand, das Beste daraus zu machen!

Und hier noch einige alte Fotos, werden mit der Zeit mehr werden, aber da unsere Hahnbaumalm mit allem was wir hatten niedergebrannt ist, gibt es auch kaum mehr Erinnerungsfotos von der alten Zeit!

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